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Angemessenheitsregelung der Unterkunftskosten im SGB XII ist verfassungswidrig - Es dürfen keine Schätzungen bzw. Abschläge „ins Blaue hinein“ vorgenommen werden
Sozialgericht Mainz, Urteil vom 22.10.2012 - S 17 SO 145/11
http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil_neu.asp?rowguid={D3E0BFF8-5515-4E2A-A77C-885BA1B2DCE3}
Angemessenheit der KdU im Sozialhilferecht
1.
Die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 35 Abs. 2 S. 1
SGB XII anhand der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum
"schlüssigen Konzept" ist nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung
eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz
(GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG
vereinbar, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom
09.02.2010 (Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) näher bestimmt
worden ist (vgl. SG Mainz, Urt. v. 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09).
2.
Für eine Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch am
einfachen Wohnstandard orientierte Mietobergrenze fehlt es auch im SGB
XII an einer den prozeduralen Anforderungen des BVerfG genügenden und
hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage.
3.
Die Kammer konkretisiert den Angemessenheitsbegriff deshalb nach Maßgabe
des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung in der Weise, dass
unangemessen im Sinne des § 35 Abs. 2 S. 1 SGB XII lediglich Kosten der
Unterkunft sind, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für
der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen
Vergleichsraum liegen.
Anmerkungen aus dem Urteil:
Die
Regelung des § 35 SGB XII ist bereits aus Gründen der Gleichbehandlung
insbesondere im Hinblick auf den Angemessenheitsbegriff in gleicher
Weise zu konkretisieren, wie die Regelung des § 22 SGB II, so dass die
hierzu ergangene Rechtsprechung im allgemeinen übertragbar ist.
Mit
den Leistungen für die Aufwendungen für die Unterkunft nach § 22 Abs. 1
S. 1 SGB II und nach § 35 SGB XII wird das Grundbedürfnis "Wohnen"
gedeckt, welches Teil des durch den Staat zu gewährleistenden
Existenzminimums ist (BVerfG Urt. v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 Rn. 135).
Im
Unterschied zu den in § 27a ff. SGB XII im Grundsatz pauschalierten
Regelbedarfen werden die Kosten der Unterkunft gem. § 35 Abs. 1 S. 1 SGB
XII grundsätzlich in tatsächlicher Höhe erbracht, gemäß § 35 Abs. 2 S. 2
SGB XII jedoch nur, soweit sie angemessen sind.
Mit
dem Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG die auf Art. 1 Abs. 1 GG i. V.
m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) gestützte staatliche Pflicht
zur Existenzsicherung subjektivrechtlich fundiert und ein Recht auf
parlamentsgesetzliche Konkretisierung in strikten einfachgesetzlichen
Anspruchspositionen konstituiert (Rixen SGb 2010, S. 240).
Das
BVerfG stellt somit nicht nur prozedurale Anforderungen an die
Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums an einen beliebigen
(staatlichen) Akteur, sondern weist die Bestimmung des Anspruchsinhalts
einem konkreten Adressaten, dem (Bundes-)Gesetzgeber zu.
Der
Bundesgesetzgeber steht demnach in der Verantwortung, das
Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu
konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des
menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein
entsprechender Rechtsanspruch besteht (Berlit in LPK-SGB II § 22a Rn. 6,
4. Aufl.).
Die
Bedarfe der Unterkunft und Heizung gehören, wie das BVerfG ausdrücklich
festhält, zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
(BVerfG Urt. v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 Rn. 135).
Dementsprechend
hat die Bestimmung der Leistungen bzw. der Bedarfe für Unterkunft
ebenso wie die Bedarfe, die Bestandteil der Regelleistung sind, mit
einer Methode zu erfolgen, die gewährleistet, dass die
existenznotwendigen Aufwendungen realitätsgerecht und nachvollziehbar in
einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt werden
(Knickrehm SozSich 2010, S. 193; Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn
31, 3. Aufl. 2012).
Es
dürfen keine Schätzungen bzw. Abschläge „ins Blaue hinein“ vorgenommen
werden, Richtwerte dürfen nicht freihändig geschätzt werden und müssen
auf empirisch ermittelten Daten beruhen.
Besondere
Begründungsanforderungen sind auch an die gesetzlichen und
untergesetzlichen Normen zu stellen, die die Höhe der angemessenen
Kosten der Unterkunft und Heizung betreffen (Mutschler NZS 2011, 481).
S.a. Sozialrechtsexperte:Sozialgericht Mainz, Urteil vom 08.06.2012,- S 17 AS 1452/09 -
Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2013/03/angemessenheitsregelung-der.html
Willi S
http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil_neu.asp?rowguid={D3E0BFF8-5515-4E2A-A77C-885BA1B2DCE3}
Angemessenheit der KdU im Sozialhilferecht
1.
Die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs des § 35 Abs. 2 S. 1
SGB XII anhand der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum
"schlüssigen Konzept" ist nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung
eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz
(GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG
vereinbar, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom
09.02.2010 (Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) näher bestimmt
worden ist (vgl. SG Mainz, Urt. v. 08.06.2012 - S 17 AS 1452/09).
2.
Für eine Bestimmung des unterkunftsbezogenen Existenzminimums durch am
einfachen Wohnstandard orientierte Mietobergrenze fehlt es auch im SGB
XII an einer den prozeduralen Anforderungen des BVerfG genügenden und
hinreichend bestimmten parlamentsgesetzlichen Grundlage.
3.
Die Kammer konkretisiert den Angemessenheitsbegriff deshalb nach Maßgabe
des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung in der Weise, dass
unangemessen im Sinne des § 35 Abs. 2 S. 1 SGB XII lediglich Kosten der
Unterkunft sind, die deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für
der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen
Vergleichsraum liegen.
Anmerkungen aus dem Urteil:
Die
Regelung des § 35 SGB XII ist bereits aus Gründen der Gleichbehandlung
insbesondere im Hinblick auf den Angemessenheitsbegriff in gleicher
Weise zu konkretisieren, wie die Regelung des § 22 SGB II, so dass die
hierzu ergangene Rechtsprechung im allgemeinen übertragbar ist.
Mit
den Leistungen für die Aufwendungen für die Unterkunft nach § 22 Abs. 1
S. 1 SGB II und nach § 35 SGB XII wird das Grundbedürfnis "Wohnen"
gedeckt, welches Teil des durch den Staat zu gewährleistenden
Existenzminimums ist (BVerfG Urt. v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 Rn. 135).
Im
Unterschied zu den in § 27a ff. SGB XII im Grundsatz pauschalierten
Regelbedarfen werden die Kosten der Unterkunft gem. § 35 Abs. 1 S. 1 SGB
XII grundsätzlich in tatsächlicher Höhe erbracht, gemäß § 35 Abs. 2 S. 2
SGB XII jedoch nur, soweit sie angemessen sind.
Mit
dem Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG die auf Art. 1 Abs. 1 GG i. V.
m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) gestützte staatliche Pflicht
zur Existenzsicherung subjektivrechtlich fundiert und ein Recht auf
parlamentsgesetzliche Konkretisierung in strikten einfachgesetzlichen
Anspruchspositionen konstituiert (Rixen SGb 2010, S. 240).
Das
BVerfG stellt somit nicht nur prozedurale Anforderungen an die
Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums an einen beliebigen
(staatlichen) Akteur, sondern weist die Bestimmung des Anspruchsinhalts
einem konkreten Adressaten, dem (Bundes-)Gesetzgeber zu.
Der
Bundesgesetzgeber steht demnach in der Verantwortung, das
Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu
konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des
menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein
entsprechender Rechtsanspruch besteht (Berlit in LPK-SGB II § 22a Rn. 6,
4. Aufl.).
Die
Bedarfe der Unterkunft und Heizung gehören, wie das BVerfG ausdrücklich
festhält, zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
(BVerfG Urt. v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 Rn. 135).
Dementsprechend
hat die Bestimmung der Leistungen bzw. der Bedarfe für Unterkunft
ebenso wie die Bedarfe, die Bestandteil der Regelleistung sind, mit
einer Methode zu erfolgen, die gewährleistet, dass die
existenznotwendigen Aufwendungen realitätsgerecht und nachvollziehbar in
einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt werden
(Knickrehm SozSich 2010, S. 193; Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn
31, 3. Aufl. 2012).
Es
dürfen keine Schätzungen bzw. Abschläge „ins Blaue hinein“ vorgenommen
werden, Richtwerte dürfen nicht freihändig geschätzt werden und müssen
auf empirisch ermittelten Daten beruhen.
Besondere
Begründungsanforderungen sind auch an die gesetzlichen und
untergesetzlichen Normen zu stellen, die die Höhe der angemessenen
Kosten der Unterkunft und Heizung betreffen (Mutschler NZS 2011, 481).
S.a. Sozialrechtsexperte:Sozialgericht Mainz, Urteil vom 08.06.2012,- S 17 AS 1452/09 -
Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock
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Willi S
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