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: Entziehung/Versagungsbescheid

Seit der Neufassung des § 39 SGB II zum 01.04.2011 ist eine Entziehung der bewilligten Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht mehr sofort vollziehbar gemäß § 39 Nr. 1 SGB II Bayerisches Landessozialgericht,Beschluss 04.2012, - L 7 AS 222/12/B ER


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Welche Gründe rechtfertigen ausnahmsweise die weitere Übernahme der unangemessenen KdU durch den Grundsicherungsträger nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II über den 6 Monatszeitraum hinaus

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Welche Gründe rechtfertigen ausnahmsweise die weitere Übernahme der unangemessenen KdU durch den Grundsicherungsträger nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II über den 6 Monatszeitraum hinaus  Empty Welche Gründe rechtfertigen ausnahmsweise die weitere Übernahme der unangemessenen KdU durch den Grundsicherungsträger nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II über den 6 Monatszeitraum hinaus

Beitrag von Willi Schartema Mi 12 Dez 2012 - 16:44

Dazu beispielsweise das Bayerische Landessozialgericht, Urteil vom 27.09.2012 - L 8 AS 646/10 .


1.
Gesundheitlichen Beschwerden rechtfertigen ausnahmsweise die weitere
Übernahme der unangemessenen KdU durch den Grundsicherungsträger nach §
22 Abs. 1 S. 3 SGB II über den 6 Monatszeitraum hinaus, wenn dem
Leistungsberechtigten ein Wohnungswechsel nicht zumutbar ist.


2.
An die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und
Unzumutbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl.auch BSG
19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 19; 20.08.2009 - B 14
AS 41/08 R).


3.
Der vorliegende Fall erfüllt die strengen Anforderungen an die
Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit
und stellt einen seltenen Ausnahmefall dar, der nicht
verallgemeinerungsfähig ist. Das bloße Behaupten einer Suizidgefahr bei
möglichem Verlust der Wohnung wird auch künftig nicht zu einer
Unzumutbarkeit führen.


4.
Zur Überzeugung des Senats liegt in diesem Einzelfall eine subjektive
Unzumutbarkeit des Umzuges vor. Der Senat stützt diese Erkenntnis im
wesentlichen auf das schlüssige und nach anerkannten wissenschaftlichen
Methoden erstellte psychiatrische Gutachten, das nach § 109 SGG
eingeholt wurde.


Anmerkung:

Der
vorliegende Fall rechtfertigt die Annahme eines seltenen Ausnahmefalles
der Unzumutbarkeit eines Umzuges aus gesundheitlichen Gründen unter
Berücksichtigung der hierzu in der Literatur und Rechtsprechung
vertretenen Ansichten.


So
führt beispielsweise Berlit (in Münder LPK SGB II, 4. Auflage, § 22
Rn.76 - 79) aus, dass die in der Regel auf längstens sechs Monate
befristete Übernahme unangemessener Aufwendungen und die Obliegenheit zu
deren Senkung sich allein auf den Teil der Unterkunftskosten bezieht,
der den im Einzelfall angemessenen Umfang überschreitet.


Die
befristete Bestandsschutzregelung gilt danach grundsätzlich für
Leistungsberechtigte, die bei Leistungsbeginn in einer unangemessen
teuren Unterkunft leben. An die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der
Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen
(BSG 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 19; 20.08.2009 -
B 14 AS 41/08 R).


Die
Möglichkeit und Zumutbarkeit umgehender und nachzuweisender
Kostensenkungsbemühungen - auch durch Umzug - sind in aller Regel
anzunehmen. Der Leistungsberechtigte hat allerdings Anspruch darauf,
dass seinem grundsätzlich zu respektierenden Recht auf Verbleib in
seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (BSG
07.11.2006 - B 7 b AS 10/06 R - FEVS 58, 248; B 7 b 18/06 R - FEVS 58,
271); dies ermöglicht auch die Berücksichtigung einer hohen affektiven
Bindung an eine bestimmte Unterkunft nach jahrzehntelanger Nutzung bei
drohender Aufgabe des vertrauten Lebenskreises (a.A. noch - zum BSHG -
OVG HH 15.08.2000 - 4 Bs 183/00 - FEVS 53, 65).


Was
für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheit der Unterkunftskosten
gilt, gilt auch für die Zumutbarkeit eines Umzuges bei unangemessen
hohen Unterkunftskosten. Gewährleistet wird indes nicht der Verbleib in
einer konkreten Unterkunft oder dem unmittelbaren Wohnumfeld; vielmehr
soll sozialer Entwurzelung oder einer Entwertung als elementar
qualifizierter Kontakte und Lebensgewohnheiten vorgebeugt werden (SG
Berlin 08.05.2007 - S 102 AS 3626/07 ER); ein Umzug innerhalb des
örtlichen Vergleichsraums ermöglicht wegen der für die
Vergleichsraumbildung vorausgesetzten Vernetzung, soziale Bindungen auch
nach Umzügen aufrecht zu erhalten (BSG 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R).


Ein
Wechsel in Wohnquartiere, die in einer in angemessener Zeit
überwindbaren Entfernung gelegen sind, ist regelmäßig nicht unzumutbar;
Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wie sie Erwerbstätigen
oder Schülern zugemutet werden, sind hinzunehmen (BSG 19.02.2009 - B 4
AS 30/06 R).


Bleibt
der Kontakt zum so verstandenen sozialen Umfeld (i.w.S.) erhalten, ist
der Umzug regelmäßig zuzumuten, soweit nicht besondere Gründe,
insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle, gegen
einen Wohnungswechsel oder ein Verlassen des sozialen Nahbereichs
(soziales Umfeld i.e.S.) sprechen (BSG 19.02.2009 - B 4 AS 30/06 R).


Für
das Gewicht, dem das soziale Umfeld bei der Zumutbarkeit einer
Kostensenkung durch Umzug beizumessen ist, ist u.a. abzustellen auf die
Art der (schutzwürdigen) Bindungen auch an das unmittelbare Umfeld
(Nachbarschaft; Schule; Betreuungseinrichtungen), die typischerweise
nach dem Alter unterschiedlichen Umstellungsschwierigkeiten (zur
besonderen Berücksichtigung des Rechts auf Verbleib älterer Menschen in
ihrem langjährig vertrauten sozialen Umfeld bei der Gewährung von
Grundsicherung im Alter s. BSG 23.03.2010 - B 8 SO 24/08 R) und die
erwartbaren individuellen Fähigkeiten, diese zu bewältigen, oder ein
Angewiesensein auf bestimmte "Versorgungseinrichtungen" (z.B. ärztlichen
Beistand) bzw. Betreuungspersonen.


Allein die hiermit
typischerweise verbundenen Belastungen durch einen Umzug machen diesen
nicht unzumutbar (LSG BE-BB 05.12.2007 - L 28 B 2089/07 AS ER - ZfSH/SGB
2008, 94); es muss sich um eine vom Durchschnitt abweichende besondere
Belastungssituation handeln, die den Verbleib in der bisherigen Wohnung
erfordert.


In
Betracht kommen z.B. Gebrechlichkeit bei hohem Alter, aktuelle schwere
Erkrankung (LSG BE-BB 05.12.2007 - L 28 B 2089/07 AS ER - ZfSH/SGB 2008,
94), Behinderung (SG Oldenburg 31.10.2005 - S 47 AS 256/05 ER; LSG
NI-HB 21.04.2006 - L 6 AS 248/06 ER; LSG BE-BB 14.06.2007 - L 10 B
391/07 AS ER), schwere psychische Erkrankung und Suizidgefahr bei
Verlust des gewohnten Umfeldes (SG Berlin 11.09.2008 - S 26 AS 14505/08
ER; LSG NW 06.08.2007 - L 19 AS 35/06), ohnehin aus anderem Grunde (z.B.
Ortswechsel wegen Arbeitsaufnahme) anstehender weiterer Umzug oder
alsbaldiges Ausscheiden aus dem Leistungsbezug (s. SG Augsburg
06.09.2005 - S 1 AS 273/05; SG Düsseldorf 08.08.2006 - S 35 AS 172/06 ER
[Schwerbehinderung; bedarfsdeckende Altersrente in zehn Monaten]).


Siehe auch: Wann
muss ein Hartz - IV Empfänger nach der neuesten Rechtsprechung des BSG -
nicht umziehen ? Welche Gründe stehen einem Umzug nicht entgegen ?


Der Beitrag wurde erstellt vom Sozialberater D. Brock - Teammitglied des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann.

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=156093

http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/12/dazu-beispielsweise-das-bayerische.html

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