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Richter mit Herz - Vergesslichkeit ohne Folgen - Junge Mutter vergaß Termin bei Jobcenter – Hartz-IV-Kürzung aufgehoben
Vergessener
Termin beim Jobcenter muss nicht Sanktion zur Folge haben,denn es lag
ein Versagen vor,wie es jedem trotz entsprechender Vorkehrungen einmal
passieren kann.
Dass sie ihren Termin
beim Jobcenter um einen Tag verpasste, blieb für eine junge Mutter (26)
aus Plauen letztlich folgenlos. Eine vom Jobcenter Vogtland deshalb
veranlasste Leistungskürzung hob das Sozialgericht Chemnitz wieder auf.
Das Jobcenter hatte die
Klägerin während deren Elternzeit zur Vorsprache am 24.11.2010
eingeladen. Es wollte klären, wann die Elternzeit der Klägerin endet.
Obwohl die Klägerin den Einladungsbrief gelesen und ihn mit einem
Magneten an den Kühlschrank geheftet hatte, erschien sie erst am
25.11.2010 beim Jobcenter. Sie hatte sich schlicht den falschen Tag
gemerkt. Ihrem Arbeitsvermittler konnte sie dann trotzdem die geforderte
Auskunft erteilen.
Das Jobcenter kürzte nun
die Regelleistung der Klägerin wegen „Verstoßes gegen die Meldepflicht“
um 10 % für drei Monate. Die damalige Regelleistung für Lebenspartner
in einer Bedarfsgemeinschaft betrug 323,00 EUR, mithin belief sich die
Kürzung auf dreimal 32,30 EUR.
Auf die Klage der jungen
Mutter hob das Sozialgericht Chemnitz die Leistungskürzung auf. Das
Gericht sah die Verhängung der Sanktion insgesamt nicht als
verhältnismäßig an.
Der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und der
Grundrechte. Ein Eingriff in die Rechte des Bürgers darf nicht außer
Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. Die Kürzung der Regelleistung
stellt einen erheblichen Eingriff dar.
Die
Regelleistung ist Untergrenze dessen, was notwendig ist, um ein
menschenwürdiges Dasein zu sichern. Eine Unterschreitung ist daher
grundsätzlich nur bei schwerwiegendem Fehlverhalten gerechtfertigt. Ein
solches lag nicht vor.
Nach Ansicht des
Gerichts hat ein Versagen vorgelegen, wie es jedem trotz entsprechender
Vorkehrungen einmal passieren kann. Zu berücksichtigen war auch, dass
negative Folgen für die behördliche Arbeit und den mit der Meldepflicht
verfolgten Zweck nicht eingetreten sind. Das geplante Ende der
Elternzeit ist am nächsten Tag mitgeteilt worden und hätte zudem
telefonisch oder schriftlich erfragt werden können.
Die Entscheidung ist rechtskräftig (Nachtrag vom 24.09.2012).
Martin Israng
Richter am Sozialgericht
Pressesprecher
Pressemitteilung Nr. 8/2011: SG Chemnitz,Urteil v. 6. Oktober 2011 – S 21 AS 2853/11
Anmerkung von Willi 2,freier Mitarbeiter des RA Ludwig Zimmermann:
Solche
Entscheidungen sind natürlich so selten, dass man sie kaum findet oder
was von ihnen hört. In einer weiteren Entscheidung möchte ich aufzeigen,
dass es auch noch Richter - mit Herz - gibt.
SG Düsseldorf;Beschluss v. 25.03.2010,- S 10 AS 490/10
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=128326
Eine verhängte
Sanktion der Behörde kann rechtswidrig sein, wenn sich die
Leistungsbezieherin nach dem SGB II in der Vergangenheit immer
ordnungsgemäß auf die Vermittlunsgvorschläge der Behörde beworben hatte .
Handelt es sich
bei dem vorliegenden Versäumnis lediglich um ein Missgeschick der
Leistungsbezieherin , was insbesondere darauf zurückzuführen ist , dass
die Antragstellerin kurz zuvor von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte ,
ist die verhängte Sanktion rechtswidrig .
Denn die
Sanktionstatbestände des § 31 SGB II enthalten grundsätzlich keine
geschriebenen Tatbestandsmerkmale, die die subjektive Vorwerfbarkeit
thematisieren. Das BSG hat indes für den Sperrzeittatbestand des § 144
Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III angenommen, dass dort inkriminierte
maßnahmenwidrige Verhalten müsse als Obliegenheit subjektiv vorwerfbar,
also schuldhaft, erfolgt sein (BSGE 84, 270 ff.).
Da die
Sperrzeittatbestände und Sanktionstatbestände des § 31 SGB II eine
gewisse strukturelle Ähnlichkeit aufweisen, kann man erwägen, dass diese
Auffassung auf die weithin ohne explizite subjektive Momente
auskommenden Sanktionstatbestände des § 31 SGB II übertragen werden kann
(vgl. LSG NRW, Beschluss vom 18.10.2006 - Az.: L 1 B 27/06 AS ER;
Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31, Rn. .
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/sgs/lsg_nrw/j2006/L_1_B_27_06_AS_ERbeschluss20061018.html
Mithin ist eine subjektive Vorwerfbarkeit bereits bei systematischer Auslegung erforderlich.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/09/richter-mit-herz-vergesslichkeit-ohne.html
Willi S
Termin beim Jobcenter muss nicht Sanktion zur Folge haben,denn es lag
ein Versagen vor,wie es jedem trotz entsprechender Vorkehrungen einmal
passieren kann.
Dass sie ihren Termin
beim Jobcenter um einen Tag verpasste, blieb für eine junge Mutter (26)
aus Plauen letztlich folgenlos. Eine vom Jobcenter Vogtland deshalb
veranlasste Leistungskürzung hob das Sozialgericht Chemnitz wieder auf.
Das Jobcenter hatte die
Klägerin während deren Elternzeit zur Vorsprache am 24.11.2010
eingeladen. Es wollte klären, wann die Elternzeit der Klägerin endet.
Obwohl die Klägerin den Einladungsbrief gelesen und ihn mit einem
Magneten an den Kühlschrank geheftet hatte, erschien sie erst am
25.11.2010 beim Jobcenter. Sie hatte sich schlicht den falschen Tag
gemerkt. Ihrem Arbeitsvermittler konnte sie dann trotzdem die geforderte
Auskunft erteilen.
Das Jobcenter kürzte nun
die Regelleistung der Klägerin wegen „Verstoßes gegen die Meldepflicht“
um 10 % für drei Monate. Die damalige Regelleistung für Lebenspartner
in einer Bedarfsgemeinschaft betrug 323,00 EUR, mithin belief sich die
Kürzung auf dreimal 32,30 EUR.
Auf die Klage der jungen
Mutter hob das Sozialgericht Chemnitz die Leistungskürzung auf. Das
Gericht sah die Verhängung der Sanktion insgesamt nicht als
verhältnismäßig an.
Der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und der
Grundrechte. Ein Eingriff in die Rechte des Bürgers darf nicht außer
Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. Die Kürzung der Regelleistung
stellt einen erheblichen Eingriff dar.
Die
Regelleistung ist Untergrenze dessen, was notwendig ist, um ein
menschenwürdiges Dasein zu sichern. Eine Unterschreitung ist daher
grundsätzlich nur bei schwerwiegendem Fehlverhalten gerechtfertigt. Ein
solches lag nicht vor.
Nach Ansicht des
Gerichts hat ein Versagen vorgelegen, wie es jedem trotz entsprechender
Vorkehrungen einmal passieren kann. Zu berücksichtigen war auch, dass
negative Folgen für die behördliche Arbeit und den mit der Meldepflicht
verfolgten Zweck nicht eingetreten sind. Das geplante Ende der
Elternzeit ist am nächsten Tag mitgeteilt worden und hätte zudem
telefonisch oder schriftlich erfragt werden können.
Die Entscheidung ist rechtskräftig (Nachtrag vom 24.09.2012).
Martin Israng
Richter am Sozialgericht
Pressesprecher
Pressemitteilung Nr. 8/2011: SG Chemnitz,Urteil v. 6. Oktober 2011 – S 21 AS 2853/11
Anmerkung von Willi 2,freier Mitarbeiter des RA Ludwig Zimmermann:
Solche
Entscheidungen sind natürlich so selten, dass man sie kaum findet oder
was von ihnen hört. In einer weiteren Entscheidung möchte ich aufzeigen,
dass es auch noch Richter - mit Herz - gibt.
SG Düsseldorf;Beschluss v. 25.03.2010,- S 10 AS 490/10
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=128326
Eine verhängte
Sanktion der Behörde kann rechtswidrig sein, wenn sich die
Leistungsbezieherin nach dem SGB II in der Vergangenheit immer
ordnungsgemäß auf die Vermittlunsgvorschläge der Behörde beworben hatte .
Handelt es sich
bei dem vorliegenden Versäumnis lediglich um ein Missgeschick der
Leistungsbezieherin , was insbesondere darauf zurückzuführen ist , dass
die Antragstellerin kurz zuvor von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte ,
ist die verhängte Sanktion rechtswidrig .
Denn die
Sanktionstatbestände des § 31 SGB II enthalten grundsätzlich keine
geschriebenen Tatbestandsmerkmale, die die subjektive Vorwerfbarkeit
thematisieren. Das BSG hat indes für den Sperrzeittatbestand des § 144
Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III angenommen, dass dort inkriminierte
maßnahmenwidrige Verhalten müsse als Obliegenheit subjektiv vorwerfbar,
also schuldhaft, erfolgt sein (BSGE 84, 270 ff.).
Da die
Sperrzeittatbestände und Sanktionstatbestände des § 31 SGB II eine
gewisse strukturelle Ähnlichkeit aufweisen, kann man erwägen, dass diese
Auffassung auf die weithin ohne explizite subjektive Momente
auskommenden Sanktionstatbestände des § 31 SGB II übertragen werden kann
(vgl. LSG NRW, Beschluss vom 18.10.2006 - Az.: L 1 B 27/06 AS ER;
Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31, Rn. .
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/sgs/lsg_nrw/j2006/L_1_B_27_06_AS_ERbeschluss20061018.html
Mithin ist eine subjektive Vorwerfbarkeit bereits bei systematischer Auslegung erforderlich.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/09/richter-mit-herz-vergesslichkeit-ohne.html
Willi S
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