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Leistungsausschluss - Arbeitssuche - EU-Ausländer - Freizügigkeitsrecht zur Arbeitssuche - Sozialleistungsmissbrauch - gewöhnlicher Aufenthalt
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.03.2014 - L 31 AS 1348/13 - Die Revision wird zugelassen.
Leitsätze (Juris)
1. In den Fällen des strukturellen Sozialleistungsmissbrauchs - hier Aufenthalt von EU-Ausländern ohne Freizügigkeitsrecht zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen - besteht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bis zur Vollziehung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Diese politisch unerwünschte Folge hat ihre Ursache zum einen in der gesetzlichen Regelung im SGB II, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einen rechtmäßigen Aufenthalt nicht voraussetzt und zum anderen in einer nicht ausreichenden Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Ausländerbehörde beim Gesetzesvollzug.
2. Im Anschluss an die Rechtsprechung des 4. Senats (Urteil vom 30. Januar 2013, Az.: B 4 AS 54/12 R) des Bundessozialgerichts, nach der der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II rein tatsächlich zu bestimmen ist, steht auch das offensichtliche Fehlen eines Freizügigkeitsrechts eines EU-Ausländers der Bejahung des gewöhnlichen Aufenthalt nicht entgegen.
3. EU-Ausländer, die weder zur Arbeitssuche eingereist sind noch ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht von einem arbeitenden Angehörigen geltend machen können, sondern Sozialleistungen zur Integration in Anspruch nehmen wollen, erfüllen bis zum Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen der Ausländerbehörde bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt.
4. Der europarechtlich umstrittene Ausschluss arbeitsuchender EU-Ausländer von SGB II-Leistungen in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift schon tatbestandlich dann nicht, wenn der Ausländer erklärt, nicht arbeiten zu wollen und die eine entsprechende Verpflichtung enthaltende Eingliederungsvereinbarung nicht unterschreibt.
5. Eine erweiterte Auslegung dieser Ausschlussnorm, nach der der Leistungsausschluss bereits dann greift, wenn der rechtmäßige Aufenthalt fiktiv allein mit der Arbeitssuche begründet werden könnte, ist mit dem Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm kaum vereinbar, systematisch nicht erforderlich und angesichts der europarechtlichen Bedenken gegen die Norm nicht vertretbar.
6. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts betreffende Ausschlussgründe enthält das SGB II zumindest nach der oben zitierten Rechtsprechung des BSG nicht (mehr).
7. Die fehlende subjektive Verfügbarkeit im Sinne einer Arbeitsbereitschaft hat keine Bedeutung für die Anspruchsvoraussetzungen des Arbeitslosengelds II (Anschluss an BSG Urteil vom 29. März 2007, AZ.: B 7b AS 4/06 R).
8. Eine Gesetzes- oder Regelungslücke liegt dennoch nicht vor, da dem hier vorliegenden strukturellen Sozialleistungsmissbrauch durch ausländerrechtliche Maßnahmen zu begegnen ist. Sollten diese wegen Inanspruchnahme von Rechtsschutz nicht sofort greifen, ist dies aus rechtsstaatlichen Gründen hinzunehmen.
9. Eine nicht ausreichend institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Ausländerbehörde und Jobcenter beim Gesetzesvollzug begründet weder eine Regelungslücke in den rechtssystematisch einwandfrei verzahnten Gesetzen und erst recht nicht die Notwendigkeit einer extensiven Auslegung einer Ausnahmevorschrift, die europarechtlich erheblichen Bedenken begegnet.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=168573&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Quelle: http://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/tickerarchiv/d/n/1564/
Willi S
Leitsätze (Juris)
1. In den Fällen des strukturellen Sozialleistungsmissbrauchs - hier Aufenthalt von EU-Ausländern ohne Freizügigkeitsrecht zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen - besteht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bis zur Vollziehung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Diese politisch unerwünschte Folge hat ihre Ursache zum einen in der gesetzlichen Regelung im SGB II, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einen rechtmäßigen Aufenthalt nicht voraussetzt und zum anderen in einer nicht ausreichenden Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Ausländerbehörde beim Gesetzesvollzug.
2. Im Anschluss an die Rechtsprechung des 4. Senats (Urteil vom 30. Januar 2013, Az.: B 4 AS 54/12 R) des Bundessozialgerichts, nach der der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II rein tatsächlich zu bestimmen ist, steht auch das offensichtliche Fehlen eines Freizügigkeitsrechts eines EU-Ausländers der Bejahung des gewöhnlichen Aufenthalt nicht entgegen.
3. EU-Ausländer, die weder zur Arbeitssuche eingereist sind noch ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht von einem arbeitenden Angehörigen geltend machen können, sondern Sozialleistungen zur Integration in Anspruch nehmen wollen, erfüllen bis zum Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen der Ausländerbehörde bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt.
4. Der europarechtlich umstrittene Ausschluss arbeitsuchender EU-Ausländer von SGB II-Leistungen in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift schon tatbestandlich dann nicht, wenn der Ausländer erklärt, nicht arbeiten zu wollen und die eine entsprechende Verpflichtung enthaltende Eingliederungsvereinbarung nicht unterschreibt.
5. Eine erweiterte Auslegung dieser Ausschlussnorm, nach der der Leistungsausschluss bereits dann greift, wenn der rechtmäßige Aufenthalt fiktiv allein mit der Arbeitssuche begründet werden könnte, ist mit dem Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm kaum vereinbar, systematisch nicht erforderlich und angesichts der europarechtlichen Bedenken gegen die Norm nicht vertretbar.
6. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts betreffende Ausschlussgründe enthält das SGB II zumindest nach der oben zitierten Rechtsprechung des BSG nicht (mehr).
7. Die fehlende subjektive Verfügbarkeit im Sinne einer Arbeitsbereitschaft hat keine Bedeutung für die Anspruchsvoraussetzungen des Arbeitslosengelds II (Anschluss an BSG Urteil vom 29. März 2007, AZ.: B 7b AS 4/06 R).
8. Eine Gesetzes- oder Regelungslücke liegt dennoch nicht vor, da dem hier vorliegenden strukturellen Sozialleistungsmissbrauch durch ausländerrechtliche Maßnahmen zu begegnen ist. Sollten diese wegen Inanspruchnahme von Rechtsschutz nicht sofort greifen, ist dies aus rechtsstaatlichen Gründen hinzunehmen.
9. Eine nicht ausreichend institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Ausländerbehörde und Jobcenter beim Gesetzesvollzug begründet weder eine Regelungslücke in den rechtssystematisch einwandfrei verzahnten Gesetzen und erst recht nicht die Notwendigkeit einer extensiven Auslegung einer Ausnahmevorschrift, die europarechtlich erheblichen Bedenken begegnet.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=168573&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Quelle: http://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/tickerarchiv/d/n/1564/
Willi S
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