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: Entziehung/Versagungsbescheid

Seit der Neufassung des § 39 SGB II zum 01.04.2011 ist eine Entziehung der bewilligten Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht mehr sofort vollziehbar gemäß § 39 Nr. 1 SGB II Bayerisches Landessozialgericht,Beschluss 04.2012, - L 7 AS 222/12/B ER


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Sanktionen verfassungswidrig? "Die Bayern" = LSG München sagen nein, "die Berliner" = Ralf Boes sagt ja

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Beitrag von Willi Schartema Di 30 Jul 2013 - 14:40

könnte man diesen Artikel etwas sarkastisch überschreiben. Ob Sanktionen bei Hartz IV verfassungsgemäß sind, ist in der Rechtsliteratur heftig umstritten und die Betroffenen sehen Sanktion als unnütze Einengung ihrer Freiheitsrechte an und pochen auf die vom Bundesverfassungsgericht ins Spiel gebrachte Menschenwürde.

Da werden dann teilweise, für den sozialrechtlich versierten Rechtskundigen merkwürdigte Klagen erhoben. In Bayern hatte ein Hartz IV Betroffener Prozesskostenhilfe

"... für ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland als Beklagte wegen der "Verletzung des Gleichheits-/ Gleichbehandlungsgrundsatzes nach dem deutschen GG und der "EMRK", aufgrund des "Präzedenzfall-Urteils" des Sozialgerichts - Kassel zu S 3 AS 322/09-ER der Verfassungswidrigkeit von Sanktionen auf NULL ALG-II-Leistungen im Vergleich gesehen zu meinen vielen Sozialgerichtsverfahren" ....

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe konnte keinen Erfolg haben, weil die Bundesrepublik Deutschland als Gesetzgeber nicht Klagegegner sein kann, weil dem Begehren kein konkreter Sanktionsbescheid zugrunde lag und die abstrakte Überprüfung der Verfassungmäßigkeit der Sanktionstatbestände letztlich auf ein nicht zulässiges Normenkontrollverfahren hinauslieft. Eine Normenkontrollbefugnis hinsichtlich eines Bundesgesetzes haben die Sozialgerichte grundsätzlich nicht, sondern nur das Bundesverfassungsgericht. Normenkontrollklagen können zB nur von  1/4 der Mitglieder des Bundestages eingereicht werden (§ 76 BVerfGG) und nicht von Jedermann.

LSG München 25.06.2013 - L 11 AS 341/13 B

Falls jemand von einer Sanktion betroffen ist, kann er gegen den Sanktionsbescheid vorgehen und den Rechtsweg vor den Sozialgerichten beschreiten und hier die Verfassungwidrigkeit des Sanktionstatbestandes geltend machen, von dem er betroffen ist.

Wenn man sehr viel Glück hat, kann man einen Richter von der Verfassungswidrigkeit überzeugen. Der Richter oder die Richter können dann nicht eigenständig eine Sanktions-Norm als verfassungswidrig verwerfen und sie nicht anwenden, sondern muss die Frage der Verfassungswidrigkeit dem Bundesverfassungsgericht vorlegen (Art. 100 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG). Eine Richtervorlage muss sorgfältig begründet werden, insbesondere muss in dem Vorlagebeschluss angegeben werden, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist (§ 80 Abs.2 Satz1 BVerfGG).
Das ist eine umfangreiche, aufwendige und auch schwierige Unterfangen, wie es zB bei dem Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichtes vom 27.01.2009, der zu der Entscheidung des Bundesverfassungserichtes vom 09.02.2010 führte, der Fall war.

BSG, 27.01.2009 - B 14/11b AS 9/07 R

Zu einer erneuten Vorlage durch das Bundessozialgericht ist es bisher nicht gekommen.

Eine Berliner Initiative für das bedingungsloses Grundeinkommen unter Federführung des durch die Bild-Zeitung zu "Maischbergers Hartz IV Schnösel" geadelten Ralf Boes hat jetzt eine Argumentationssammlung für eine Richtervorlage zur Verfassungswidrigkeit der Sanktionen ausgearbeitet.

Nach den dortigen Ausführungen sind Sanktionen durch die Bank verfassungswidrig.

Was ist zur Verfassungswidrigkeit  von Sanktionen zu sagen.Ob Sanktionen verfassungswidrig sind, entscheidet letztlich das Bundesverfassungsgericht. Mit den Sanktionen hat sich das Bundesverfassungsgericht bisher nicht auseinandersetzen müssen.

Wie wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ist daher die Frage? Nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG wird es wohl auf den Einzelfall ankommen.

Das BVerfG wird Sanktionen nicht durchweg als verfassungswidrig ansehen und zwar in dem Fall, wenn eine zumutbare Arbeit ohne (wichtigen) Grund abgelehnt wird, denn das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom
09.02.2010 wie folgt ausgeführt:

"Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür dem Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG korrespondiert ein Leistungsanspruch des Grundrechtsträgers, da das Grundrecht die Würde jedes individuellen Menschen schützt (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>) und sie in solchen Notlagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden kann."

Die Gewährung von Leistungen kann daher an Voraussetzungen geknüpft werden und zwar insbesondere auf eines Vermögen oder die eigene Arbeitskraft zurückzugreifen.
Das BVerfG wird hier wahrscheinlich sich von dem Solidaritätsprinzip leiten lassen und anführen, dass jeder der im Rahmen des Gesellschaftsvertrages "Arbeitsgesellschaft" die ihm gebotenen Chancen wahrnehmen darf und auch muss um so zum Erfolg der Gesellschaft beizutragen. Dies ist auch letztlich eine Entscheidung der Gesellschaft und in einer parlamentarischen Demokratie des Parlamentes als Gesetzgeber und nicht des Bundesverfassungsgerichtes. Das Bundesverfassungsgericht würde damit aus der bedingten Grundsicherung (mit der Voraussetzung Hilfebedürftigkeit) eine bedingungslose Grundsicherung machen, was von den Initiatoren der Berliner Kampagne als Vorstufe zu einem bedingungslosen Grundeinkommen gewollt ist. Eine Entscheidung de BVerfG in einer solchen Sache hätte nur symbolischen Charakter.

Inwieweit die Voraussetzungen des SGB II den Anweisungen des Jobcenters zu folgen, verfassungsgemäß sind, steht auf einem anderen Blatt, denn die gehen deutlich über die Pflicht hinaus, seine Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu mindern.

Hier einige Beispiel:

- Ablehnung der Teilhabe an einem Ein-Euro-Job
- Meldeversäumnisse einer tatsächlich unvermittelbaren Person mit mehr als 10 -20 % Absenkung des Regelbedarfes
- Nichtteilnahme an "Massenauswahlveranstaltungen" von Leiharbeitgebern

Diese Maßnahmen führen nicht zur Minderung der Hilfebedürftigkeit sondern können allenfalls bei wirklich gutwilliger Auslegung zugunsten der Jobcenter als Zwischenschritt zur Minderung angesehen werden. Hier ist fraglich, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.

Die Ungleichbehandlung der Jungendlichen und jungen Erwachsenen bereitet zumindest Kopfschmerzen.

Fazit: Viele Fragen sind rund um die Sanktionen offen auch weil deren Wirksamkeit fraglich ist. Ein guter Sanktionsfall für die Instanzen, der bis zum Bundesverfassungsgericht geht und erst dort erfolgreich ist schwierig zu finden.
Nach meinen Erfahrungen stehen viele Sanktionen bereits einfachrechtlich auf schwacher Grundlage, denn häufig wurden die den Betroffenen schützenden Formvorschriften (Anhörung usw) nicht eingehalten oder von dem Sanktionierten wird etwas verlangt, was er nicht leisten kann, weil der zB krank ist.
Der Generalangriff zur Durchsetzung politischer Ziele wird nicht gelingen, bleibt einzig die Salamitaktik zur langsamen Aufweichung der Sanktionen, denn kaum ein Arbeitgeber wird einen Arbeitslosen beschäftigen wollen oder können, der die Arbeit nicht ausführen will. Römische Galeerensklavenschiffe mit peitscheschwingenden Bootsleuten gibt es nur in Hollywoodfilmen und bilden kaum den deutschen Arbeitsmarkt ab.

Charlon Heston in Ben Hur   
Benhur Judah auf den Römischen Galeeren(Deutsch)

http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2013/07/sanktionen-verfassungswidrig-die-bayern.html

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