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Seit der Neufassung des § 39 SGB II zum 01.04.2011 ist eine Entziehung der bewilligten Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht mehr sofort vollziehbar gemäß § 39 Nr. 1 SGB II Bayerisches Landessozialgericht,Beschluss 04.2012, - L 7 AS 222/12/B ER


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Beitrag von Willi Schartema Mi 24 Apr 2013 - 11:22

Der Bewilligung von PKH steht nicht entgegen, dass die
Rechtsverfolgung nur hinsichtlich geringer Beträge im "Centbereich"
Erfolgsaussicht aufweist.



So die Rechtsauffassung des am 24.04.2013
veröffentlichten Beschlusses des LSG NSB Az. L 11 AS 949/10 B.


http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?feed=bsnd-r-sg&showdoccase=1&paramfromHL=true&doc.id=JURE130006766

Insbesondere sind Rechtsstreitigkeiten um geringe
Beträge nicht (allein) wegen ihres niedrigen Streitwerts mutwillig.


Die Bewilligung von PKH scheitert auch nicht allein
wegen des geringen im einsteilligen Euro-Bereich liegenden Streitwertes an der
Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 Abs 2 ZPO. Eine andere
Beurteilung würde nämlich den Vorgaben des BVerfG zum Gebot der
Rechtswahrnehmungsgleichheit i.S.v. Art 3 Abs 1 i.V.m. Art 20 Abs 3 GG
widersprechen (vgl. BVerG, Beschluss vom 24. März 2011 - 1 BvR 1737/10).


Schließlich ist es unzulässig, die Frage, ob die
Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, auf eine
ausschließliche Beurteilung des Verhältnisses von Streitwert und Kostenrisiko
zu reduzieren. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Bemittelter in der Lage des
Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner
Interessen beauftragt hätte.


Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn im Kenntnisstand
und in den Fähigkeiten der Prozessbeteiligten ein deutliches Ungleichgewicht
besteht. In einem solchen Fall wird auch ein vermünftiger Rechtssuchender
regelmäßig einen Rechtsanwalt einschalten, um sein Begehren fachkundig
durchsetzen zu können.


Denn es ist keinesfalls fernliegend, dass ein
Bemittelter auch verhältnismäßig hohe Rechtsanwaltskosten nicht scheut, wenn er
mit einem Obsiegen und der Erstattung seiner Aufwendungen rechnet.


Anmerkung: Das
sozialgerichtliche Verfahren kennt keine Bagatellgrenze.



Eine solche wäre auch mit dem verfassungsrechtlichen
Gebot zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar. Insoweit hat
bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einer die Ablehnung von PKH
für ein sozialgerichtliches Verfahren betreffenden Entscheidung ausgeführt,
dass es keinesfalls fernliegend erscheine, dass auch ein Bemittelter selbst
verhältnismäßig hohe Rechtsanwaltskosten nicht scheut, wenn er mit einem
Obsiegen und der Erstattung seiner Aufwendungen rechnet (BVerfG, Beschluss vom
24. März 2011 - 1 BvR 1737/10, NJW 2011, 2039, Rn 17).


Dementsprechend hat die Bundesregierung in der Begründung
zu ihrem Gesetzesentwurf zur Änderung u.a. des PKH-Rechts zutreffend
festgestellt, dass nach geltendem Recht Rechtsstreitigkeiten um geringe Beträge
nicht (allein) wegen ihres niedrigen Streitwerts mutwillig sind (vgl. hierzu:
Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und
Beratungshilferechts vom 14. November 2012, BT-Drucksache 17/11272, S 29).


Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, auch und
gerade in "Bagatellverfahren" bei Hinzutreten weiterer Umstände eine
Rechtsverfolgung als mutwillig anzusehen.


Mutwilligkeit i.d.S. setzt voraus, dass ein verständiger und vernünftiger
anderer Beteiligter, der für Kosten selbst aufkommen muss, diesen Prozess nicht
führen würde, etwa weil er durch ein günstiges Urteil keine Vorteile hat oder
neben Vorteilen überwiegend Nachteile hätte oder er einen einfacheren und
kostengünstigeren Weg einschlagen könnte.. Dies ist vorliegend jedoch nicht der
Fall.


Hinweis: Insbesondere fehlt es nicht bereits am Rechtsschutzbedürfnis -
und damit an der Erfolgsaussicht - einer, auf Leistungen im „Centbereich“
gerichteten Klage.

Dies gilt auch in Ansehung der zu den Rundungsregelung
des § 41 Abs 2 SGB II in der bis 30. April 2011 geltenden Fassung (a.F.)
ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 12.
Juli 2012 - B 14 AS 35/12 R).


Danach rechtfertigt zwar ein Klagebegehren, das aus Sicht des Betroffenen
allein auf die Verletzung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II a.F.
gestützt werden kann und mit dem folglich nur die in dieser Rundungsregelung
zum Ausdruck kommende Beschwer (allenfalls 50 Cent pro Monat der Bewilligung
der Leistungen) geltend gemacht wird, für sich genommen die Inanspruchnahme
gerichtlichen Rechtsschutzes nicht.

Um diese Rundungsvorschrift geht es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht. Die
Entscheidung des BSG ist auch nicht auf andere Rechtsstreitigkeiten
übertragbar, in denen um Leistungen im "Bagatellbereich" gestritten
wird.

Denn die Höhe der geltend gemachten Forderung führt nicht schlechterdings und
für sich allein betrachtet zum Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses.



Quelle: Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.03.2013 - L 11 AS 949/10 B


Rechtstipp:
Ebenso im Ergebnis - LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 07.09.2012 - L 18 AS 1832/12 B PKH


Bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber den
Behörden sind wir ihnen gerne behilflich.


Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock -
Sozialberater des RA L. Zimmermann.


http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2013/04/lsg-nsb-zur-rechtsverfolgung-in.html

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