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Amtsgericht Köln - Verfahren gegen KEA eingestellt - Die KEAs e. V.- Kölner Erwerbslose in Aktion
Die Staatsanwaltschaft Köln prozessierte heute gegen ein Mitglied der Selbstorganisierung Die KEAs. Grund war eine Anzeige des Jobcenters in Köln Kalk, wegen einer am 3. November 2011 gelaufenen Aktion, die mit einem Polizeieinsatz endete. Die KEAs danken der Staatsanwaltschaft ausdrücklich für die gebotene Möglichkeit, Hartz IV auch in diesem Rahmen thematisieren zu können.
"Wo Unrecht zu Recht wird, wird bekannterweise Widerstand zur Pflicht!"
Die persönliche Stellungnahme des Angeklagten zu Beginn der Verhandlung
mutete historisch an, weshalb wir die Berichterstattung mit seinen
Worten beginnen wollen:
Ich stehe heute hier unter dem Vorwurf des Hausfriedensbruch. Sollte
ich hier und heute verurteilt werden, verurteilen Sie viele Menschen,
welche Empfänger von Leistungen des Arbeitslosengeldes II - besser
bekannt unter dem Namen Hartz IV - sind und sich in ihrer Notlage
gemeinsam unterstützen möchten. Was am 3. November des letzten Jahres im
Jobcenter Köln Kalk passierte war keine Straftat. Es war vielmehr ein
Akt menschlicher Solidarität. Wo Unrecht zu Recht wird, wird
bekannterweise Widerstand zur Pflicht!
Ich bin Mitglied der Selbsthilfeorganisation Kölner Erwerbslose in
Aktion - kurz Die KEAs. Im Rahmen unser gemeinnützigen Arbeit
solidarisieren wir uns mit allen Erwerbslosen und solchen, die es leicht
werden könnten. Zu unseren Aufgaben gehört es u. a. die Kompetenzen im
Umgang mit sozialrechtlichen Fragen zu fördern. Seit der Einführung von
Hartz IV im Jahr 2005 hat sich die soziale Lage in der Bundesrepublik
Deutschland drastisch zugespitzt. Gleich eine ganze Agenda sorgte für
einen sozialen Kahlschlag. Eine Kommission aus hochrangigen
Wirtschaftsvertretern legte den gesetzlichen Grundstein eines
Bürokratiemonsters, welches sich nicht um Menschen, als viel mehr um
zurecht gerückte Statistiken bemüht. Bei der Vermittlung in sinnlose
und/oder menschenunwürdige Beschäftigungsverhältnisse sind den
ausführenden Jobcentern viele - auch unerlaubte - Mittel recht.
So werden Erwerbslose oft in einen rechtswidrigen Vertrag - die so
genannte Eingliederungsvereinbarung - gedrängt. Eine Verhandlung auf
Augenhöhe, wie es zwischen zwei Vertragspartnern immer der Fall sein
muss, findet selten statt. Statt dessen droht man den Erwerbslosen mit
Kürzungen des Arbeitslosengeldes II um bis zu 100 %, sollten sie gegen
den diktierten Vertrag verstoßen. Die Möglichkeit der Sanktion als
"erzieherische Maßnahme" ist sehr umstritten. Droht man dem Betroffenen
doch direkt den Entzug seiner Existenzsicherung an. Dies hat zur Folge,
dass in den Jobcentern starre bürokratische Strukturmuster mit
menschlichen Emotionen kollidieren. Nur all zu oft bewirkt der Abschluss
einer Eingliederungsvereinbarung ein außer Kraft setzen der gültigen
Gesetze in Form der Sozialgesetzbücher.
Des weiteren trifft es immer zum Monatsanfang eine Vielzahl
Erwerbsloser, welche ihre nach dem Gesetz zustehende Leistung nicht oder
verspätet erhalten. Einige Jobcenter gelten als regelrechtes
Bermudadreieck, in welchem gestellte Anträge auf Nimmerwiedersehen in
einem schwarzen Loch verschwinden.
Anstatt dem Hilfebedürftigen direkt durch eine Auszahlung von
Bargeld eine Soforthilfe zu ermöglichen, speisen die Jobcenter in Not
geratene Menschen nur all zu oft mit einem Lebensmittelgutschein ab.
Dies ist gesetzlich jedoch nur im Fall von Drogenmissbrauch sowie
unwirtschaftlichem Verhalten vorgesehen. Als wäre die Angst vor Hunger
und Obdachlosigkeit nicht schon schmerzlich genug, setzt man die
Gutscheinempfänger einer öffentlichen Demütigung und Diffamierung aus.
Dementsprechend bedrückend ist die Stimmung in den Wartezonen der
Jobcenter. Besonders am Monatsanfang, da wie gesagt viele Betroffene
nicht ihre rechtmäßig zustehenden Leistungen erhalten.
Wenn man eine Wartezone des Jobcenters betritt, dann betritt man
einen Ort an welchem Angst, Verzweiflung und Perspektivlosigkeit
permanent auf der Tagesordnung stehen. Zwischen kahlen Raufasertapeten
und einer lieblos gestalteten Umgebung bündeln sich menschliche
Schicksale parallel zueinander. Die Wartezeiten sind erdrückend lang.
Voller Anspannung und Apathie vegetieren die Wartenden in einem Sumpf
aus persönlicher Existenzangst und Hilflosigkeit. Ein gegenseitiger
Austausch über die Probleme findet nicht statt. Doch die Probleme der
Betroffenen sind sich trotz der Vielfältigkeit ihrer Persönlichkeiten
sehr ähnlich. Eine Vielzahl der Probleme entstehen, weil das Jobcenter
nicht oder nur sehr begrenzt über gesetzlich festgelegte Rechte
aufklärt. Viel zu oft gewinnt man den Eindruck, der eigene
Ansprechpartner hat selbst nicht die Gesetzbücher gelesen, nach denen er
arbeitet.
Wenn die Beschäftigten einer Behörde ihre eigenen Regeln
missachten und die betroffenen Leistungsempfänger nicht umfassend über
ihre Rechte aufklären, dann bleibt einem als Betroffener dieses Systems
nichts anderes übrig als sich der behördlichen Willkür auszuliefern oder
aber sich selbst zu helfen und sich Hilfe zu suchen. An genau dieser
Stelle sehen die KEAs ihren Aufgabenbereich.
Einer Gewerkschaft ähnlich, agieren KEAs niemals alleine. KEAs
klären über die aktuell gültige Rechtslage auf, leisten Begleitungen zum
Amt und arbeiten der sozialen Isolation entgegen. Viele
Langzeitarbeitslose haben jegliche Hoffnung und jedes Selbstvertrauen
verloren. Sie fühlen sich allein, ausgegrenzt und überflüssig. Diesem
Prozess der sozialen Verelendung wirken die KEAs entschieden entgegen!
Als gewerkschaftsähnliche Organisation gibt es für die KEAs keinen
besseren Ort als das Jobcenter selbst, um zu agieren. Jede Gewerkschaft
hat im Rahmen ihrer Arbeit die Möglichkeit in den Betrieben selbst zu
agieren und zu mobilisieren. Erwerbslose haben diesen Ort nicht, außer
sie nehmen ihn sich. In der Vergangenheit klappte dies mitunter auch
schon sehr gut. Nicht alle Jobcenter reagieren überreizt, wenn
engagierte und mutige Erwerbslose solidarische Aufklärungsarbeit
leisten. Schon oft wurde das Überlebenshandbuch der KEAs in den
Wartehallen geduldet.
"Das Überlebenshandbuch", dass ist nichts weiter als eine Ansammlung
von gesetzlich verbrieften Hilfestellungen im Umgang mit dem Jobcenter.
All die bestehenden Probleme, die hier bereits benannt wurden, werden
hier kurz und bündig zusammen gefasst und darüber aufgeklärt, wie es um
die Rechtslage eines jeden Erwerbslosen bestellt ist. Das verteilen
dieser Lektüre als Anlass dafür zu nehmen, Hausverbote zu verhängen und
sie mit Hilfe der Polizei durchzusetzen, ist skandalös!
Was am 3. November des Jahres 2011 passierte, das war keine Störung
des betrieblichen Ablaufs, es war eine Entmündigung und Unterdrückung
aufkeimender Solidarität. Nicht ich als Angeklagter bin hier zu
verurteilen. Ich bin nur einer von vielen engagierten Kölner
Erwerbslosen in Aktion. Nichts weiter als mein auffälliges Aussehen - so
vermute ich - ist dafür verantwortlich, dass ausgerechnet ich von den
Wachleuten als angeblicher Initiator der Aktion festgemacht und mit
einem Hausverbot belegt wurde. Nicht ich bin der Schuldige in diesem
Prozess - schuldig allein ist das System Hartz IV und dessen ausführende
Organe.
Vielen Dank!
Nach Verlesung des Statements brandete Applaus auf im Kreis der
zahlreichen, solidarischen Zuschauer, die eine Einlassprozedur über sich
ergehen lassen mussten, als wären potenzielle Terroristen zu erwarten
gewesen.
Der mit den blauen Haaren
Von den schwergewichtigen Vorwürfen der Anzeige gegen den Angeklagten
blieb lediglich übrig, dass er in den Räumlichkeiten des Jobcenters das
sogenannte Überlebenshandbuch
verteilte, das der Richter während des Prozesses mehrfach in der Hand
hoch hielt und bereits in der Akte gelesen hatte. Einem vor Ort vom
Sicherheitsdienst ausgesprochenen Hausverbot folgte der Angeklagte
angeblich erst "Minuten später".
Dass Kaffee und Kuchen verteilt worden ist, dass Lieder gesungen wurden,
konnten die geladenen Zeugen ? zwei Mitarbeiter des externen
Sicherheitsdienstes des Jobcenters ? nicht an der Person des Angeklagten
festmachen. Auch konnte man nicht einschätzen, wie viele Personen
überhaupt am Tag des Geschehens einer solchen Aktion mitwirkten.
Es war im Kontext der Aktion vom 3. November 2011 der einzige
Angeklagte, den man sich womöglich auf Grund seiner auffällig blau
gefärbten Haare einfach mal eben herauspickte. Die Nichtigkeit der
Vorwürfe, auch im Zusammenhang der Tatsache, das faktisch nirgendwo ein
messbarer Schaden entstanden ist, hätte im Vorfeld erkennen lassen
können, dass die Anklage auf Treibsand gebaut ist. Statt dessen wurde
der Prozess sogar mehrfach vertagt.
War es der Verdacht auf Beleidigung, der den Prozess so wichtig machte?
Ach, ja. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes behaupteten, dass gesungen worden ist, "Rückt die Kohle raus, Ihr Nazis."
Weder der Angeklagte, noch andere Teilnehmer der Aktion können mit
diesem Vorwurf etwas anfangen. Einer der KEAs bemerkte dazu nach dem
Prozess: "Dieser Vorwurf hat uns echt überrascht. Möglich, dass
irgendjemand, ein einzelner, während unserer Anwesenheit so was
unüberlegt gesagt oder gerufen hat. Eine solche Wortwahl war nicht
Bestandteil irgendeines strategischen Konzeptes, eines Aktionsplans oder
Teil eines Liedes. Ich kenne niemanden, der es gehört hat und kann mir
auch keinen der Teilnehmer vorstellen, der das so gesungen hätte. Davon
würden wir uns auch distanzieren."
Die Sicherheitsmitarbeiter wollen es so gehört haben, aber da man es
nicht aus dem Munde des jungen Mannes mit den blauen Haaren hörte, war
der Vorwurf unerheblich. Auch das hätte man sich im Vorfeld ausrechnen
können.
Manche Rechte müssen erkämpft werden!
Was die Aktionen am Jobcenter Köln Kalk brachten, wurde vor allem in der
Befragung der beiden Zeugen der Anklage deutlich. Nicht nur, dass sie
unabhängig voneinander bestätigten, dass es Monat für Monat Menschen
gibt, die ihr zustehendes Geld einfach nicht bekommen und sich dies
während der "Geldwoche" - wie es einer nannte ? auch in einem hohen
"Kundenbetrieb" und "gereizter Stimmung" widerspiegelt, zwischenzeitlich
wird das Verteilen des Überlebenshandbuchs im Jobcenter Köln Kalk
toleriert. Auf Weisung der dortigen Standortleitung, die übrigens nicht
mehr die selbe ist, wie zu Zeiten der Monat für Monat aufeinander
folgenden Aktionen.
Dieses Recht, was damit einhergeht, dass Betroffene sich innerhalb des
Wartebereiches und während der unerträglich langen Wartezeiten einander
austauschen und gegenseitig beraten können, wurde mit viel
Beharrlichkeit erkämpft!
Einstellung nach § 153 Strafprozessordnung
Richter Krebber erntete sowohl von der Staatsanwältin als auch von der
Verteidigung ein Kopfnicken, als er die Einstellung des Verfahrens nach § 153
der Strafprozessordnung vorschlug. Der Anwalt des Angeklagten, der
engagierte Strafrechtler Detlef Hartmann, bekannte zum Schluss, dass er
der Sache der KEAs sehr gewogen gegenüber stehe. Auch dieses Bekenntnis
erntete Applaus.
Quelle: Amtsgericht Köln ? Verfahren gegen KEA eingestellt | Die KEAs e. V. ? Kölner Erwerbslose in Aktion
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/09/amtsgericht-koln-verfahren-gegen-kea.html
Willi S
"Wo Unrecht zu Recht wird, wird bekannterweise Widerstand zur Pflicht!"
Die persönliche Stellungnahme des Angeklagten zu Beginn der Verhandlung
mutete historisch an, weshalb wir die Berichterstattung mit seinen
Worten beginnen wollen:
Ich stehe heute hier unter dem Vorwurf des Hausfriedensbruch. Sollte
ich hier und heute verurteilt werden, verurteilen Sie viele Menschen,
welche Empfänger von Leistungen des Arbeitslosengeldes II - besser
bekannt unter dem Namen Hartz IV - sind und sich in ihrer Notlage
gemeinsam unterstützen möchten. Was am 3. November des letzten Jahres im
Jobcenter Köln Kalk passierte war keine Straftat. Es war vielmehr ein
Akt menschlicher Solidarität. Wo Unrecht zu Recht wird, wird
bekannterweise Widerstand zur Pflicht!
Ich bin Mitglied der Selbsthilfeorganisation Kölner Erwerbslose in
Aktion - kurz Die KEAs. Im Rahmen unser gemeinnützigen Arbeit
solidarisieren wir uns mit allen Erwerbslosen und solchen, die es leicht
werden könnten. Zu unseren Aufgaben gehört es u. a. die Kompetenzen im
Umgang mit sozialrechtlichen Fragen zu fördern. Seit der Einführung von
Hartz IV im Jahr 2005 hat sich die soziale Lage in der Bundesrepublik
Deutschland drastisch zugespitzt. Gleich eine ganze Agenda sorgte für
einen sozialen Kahlschlag. Eine Kommission aus hochrangigen
Wirtschaftsvertretern legte den gesetzlichen Grundstein eines
Bürokratiemonsters, welches sich nicht um Menschen, als viel mehr um
zurecht gerückte Statistiken bemüht. Bei der Vermittlung in sinnlose
und/oder menschenunwürdige Beschäftigungsverhältnisse sind den
ausführenden Jobcentern viele - auch unerlaubte - Mittel recht.
So werden Erwerbslose oft in einen rechtswidrigen Vertrag - die so
genannte Eingliederungsvereinbarung - gedrängt. Eine Verhandlung auf
Augenhöhe, wie es zwischen zwei Vertragspartnern immer der Fall sein
muss, findet selten statt. Statt dessen droht man den Erwerbslosen mit
Kürzungen des Arbeitslosengeldes II um bis zu 100 %, sollten sie gegen
den diktierten Vertrag verstoßen. Die Möglichkeit der Sanktion als
"erzieherische Maßnahme" ist sehr umstritten. Droht man dem Betroffenen
doch direkt den Entzug seiner Existenzsicherung an. Dies hat zur Folge,
dass in den Jobcentern starre bürokratische Strukturmuster mit
menschlichen Emotionen kollidieren. Nur all zu oft bewirkt der Abschluss
einer Eingliederungsvereinbarung ein außer Kraft setzen der gültigen
Gesetze in Form der Sozialgesetzbücher.
Des weiteren trifft es immer zum Monatsanfang eine Vielzahl
Erwerbsloser, welche ihre nach dem Gesetz zustehende Leistung nicht oder
verspätet erhalten. Einige Jobcenter gelten als regelrechtes
Bermudadreieck, in welchem gestellte Anträge auf Nimmerwiedersehen in
einem schwarzen Loch verschwinden.
Anstatt dem Hilfebedürftigen direkt durch eine Auszahlung von
Bargeld eine Soforthilfe zu ermöglichen, speisen die Jobcenter in Not
geratene Menschen nur all zu oft mit einem Lebensmittelgutschein ab.
Dies ist gesetzlich jedoch nur im Fall von Drogenmissbrauch sowie
unwirtschaftlichem Verhalten vorgesehen. Als wäre die Angst vor Hunger
und Obdachlosigkeit nicht schon schmerzlich genug, setzt man die
Gutscheinempfänger einer öffentlichen Demütigung und Diffamierung aus.
Dementsprechend bedrückend ist die Stimmung in den Wartezonen der
Jobcenter. Besonders am Monatsanfang, da wie gesagt viele Betroffene
nicht ihre rechtmäßig zustehenden Leistungen erhalten.
Wenn man eine Wartezone des Jobcenters betritt, dann betritt man
einen Ort an welchem Angst, Verzweiflung und Perspektivlosigkeit
permanent auf der Tagesordnung stehen. Zwischen kahlen Raufasertapeten
und einer lieblos gestalteten Umgebung bündeln sich menschliche
Schicksale parallel zueinander. Die Wartezeiten sind erdrückend lang.
Voller Anspannung und Apathie vegetieren die Wartenden in einem Sumpf
aus persönlicher Existenzangst und Hilflosigkeit. Ein gegenseitiger
Austausch über die Probleme findet nicht statt. Doch die Probleme der
Betroffenen sind sich trotz der Vielfältigkeit ihrer Persönlichkeiten
sehr ähnlich. Eine Vielzahl der Probleme entstehen, weil das Jobcenter
nicht oder nur sehr begrenzt über gesetzlich festgelegte Rechte
aufklärt. Viel zu oft gewinnt man den Eindruck, der eigene
Ansprechpartner hat selbst nicht die Gesetzbücher gelesen, nach denen er
arbeitet.
Wenn die Beschäftigten einer Behörde ihre eigenen Regeln
missachten und die betroffenen Leistungsempfänger nicht umfassend über
ihre Rechte aufklären, dann bleibt einem als Betroffener dieses Systems
nichts anderes übrig als sich der behördlichen Willkür auszuliefern oder
aber sich selbst zu helfen und sich Hilfe zu suchen. An genau dieser
Stelle sehen die KEAs ihren Aufgabenbereich.
Einer Gewerkschaft ähnlich, agieren KEAs niemals alleine. KEAs
klären über die aktuell gültige Rechtslage auf, leisten Begleitungen zum
Amt und arbeiten der sozialen Isolation entgegen. Viele
Langzeitarbeitslose haben jegliche Hoffnung und jedes Selbstvertrauen
verloren. Sie fühlen sich allein, ausgegrenzt und überflüssig. Diesem
Prozess der sozialen Verelendung wirken die KEAs entschieden entgegen!
Als gewerkschaftsähnliche Organisation gibt es für die KEAs keinen
besseren Ort als das Jobcenter selbst, um zu agieren. Jede Gewerkschaft
hat im Rahmen ihrer Arbeit die Möglichkeit in den Betrieben selbst zu
agieren und zu mobilisieren. Erwerbslose haben diesen Ort nicht, außer
sie nehmen ihn sich. In der Vergangenheit klappte dies mitunter auch
schon sehr gut. Nicht alle Jobcenter reagieren überreizt, wenn
engagierte und mutige Erwerbslose solidarische Aufklärungsarbeit
leisten. Schon oft wurde das Überlebenshandbuch der KEAs in den
Wartehallen geduldet.
"Das Überlebenshandbuch", dass ist nichts weiter als eine Ansammlung
von gesetzlich verbrieften Hilfestellungen im Umgang mit dem Jobcenter.
All die bestehenden Probleme, die hier bereits benannt wurden, werden
hier kurz und bündig zusammen gefasst und darüber aufgeklärt, wie es um
die Rechtslage eines jeden Erwerbslosen bestellt ist. Das verteilen
dieser Lektüre als Anlass dafür zu nehmen, Hausverbote zu verhängen und
sie mit Hilfe der Polizei durchzusetzen, ist skandalös!
Was am 3. November des Jahres 2011 passierte, das war keine Störung
des betrieblichen Ablaufs, es war eine Entmündigung und Unterdrückung
aufkeimender Solidarität. Nicht ich als Angeklagter bin hier zu
verurteilen. Ich bin nur einer von vielen engagierten Kölner
Erwerbslosen in Aktion. Nichts weiter als mein auffälliges Aussehen - so
vermute ich - ist dafür verantwortlich, dass ausgerechnet ich von den
Wachleuten als angeblicher Initiator der Aktion festgemacht und mit
einem Hausverbot belegt wurde. Nicht ich bin der Schuldige in diesem
Prozess - schuldig allein ist das System Hartz IV und dessen ausführende
Organe.
Vielen Dank!
Nach Verlesung des Statements brandete Applaus auf im Kreis der
zahlreichen, solidarischen Zuschauer, die eine Einlassprozedur über sich
ergehen lassen mussten, als wären potenzielle Terroristen zu erwarten
gewesen.
Der mit den blauen Haaren
Von den schwergewichtigen Vorwürfen der Anzeige gegen den Angeklagten
blieb lediglich übrig, dass er in den Räumlichkeiten des Jobcenters das
sogenannte Überlebenshandbuch
verteilte, das der Richter während des Prozesses mehrfach in der Hand
hoch hielt und bereits in der Akte gelesen hatte. Einem vor Ort vom
Sicherheitsdienst ausgesprochenen Hausverbot folgte der Angeklagte
angeblich erst "Minuten später".
Dass Kaffee und Kuchen verteilt worden ist, dass Lieder gesungen wurden,
konnten die geladenen Zeugen ? zwei Mitarbeiter des externen
Sicherheitsdienstes des Jobcenters ? nicht an der Person des Angeklagten
festmachen. Auch konnte man nicht einschätzen, wie viele Personen
überhaupt am Tag des Geschehens einer solchen Aktion mitwirkten.
Es war im Kontext der Aktion vom 3. November 2011 der einzige
Angeklagte, den man sich womöglich auf Grund seiner auffällig blau
gefärbten Haare einfach mal eben herauspickte. Die Nichtigkeit der
Vorwürfe, auch im Zusammenhang der Tatsache, das faktisch nirgendwo ein
messbarer Schaden entstanden ist, hätte im Vorfeld erkennen lassen
können, dass die Anklage auf Treibsand gebaut ist. Statt dessen wurde
der Prozess sogar mehrfach vertagt.
War es der Verdacht auf Beleidigung, der den Prozess so wichtig machte?
Ach, ja. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes behaupteten, dass gesungen worden ist, "Rückt die Kohle raus, Ihr Nazis."
Weder der Angeklagte, noch andere Teilnehmer der Aktion können mit
diesem Vorwurf etwas anfangen. Einer der KEAs bemerkte dazu nach dem
Prozess: "Dieser Vorwurf hat uns echt überrascht. Möglich, dass
irgendjemand, ein einzelner, während unserer Anwesenheit so was
unüberlegt gesagt oder gerufen hat. Eine solche Wortwahl war nicht
Bestandteil irgendeines strategischen Konzeptes, eines Aktionsplans oder
Teil eines Liedes. Ich kenne niemanden, der es gehört hat und kann mir
auch keinen der Teilnehmer vorstellen, der das so gesungen hätte. Davon
würden wir uns auch distanzieren."
Die Sicherheitsmitarbeiter wollen es so gehört haben, aber da man es
nicht aus dem Munde des jungen Mannes mit den blauen Haaren hörte, war
der Vorwurf unerheblich. Auch das hätte man sich im Vorfeld ausrechnen
können.
Manche Rechte müssen erkämpft werden!
Was die Aktionen am Jobcenter Köln Kalk brachten, wurde vor allem in der
Befragung der beiden Zeugen der Anklage deutlich. Nicht nur, dass sie
unabhängig voneinander bestätigten, dass es Monat für Monat Menschen
gibt, die ihr zustehendes Geld einfach nicht bekommen und sich dies
während der "Geldwoche" - wie es einer nannte ? auch in einem hohen
"Kundenbetrieb" und "gereizter Stimmung" widerspiegelt, zwischenzeitlich
wird das Verteilen des Überlebenshandbuchs im Jobcenter Köln Kalk
toleriert. Auf Weisung der dortigen Standortleitung, die übrigens nicht
mehr die selbe ist, wie zu Zeiten der Monat für Monat aufeinander
folgenden Aktionen.
Dieses Recht, was damit einhergeht, dass Betroffene sich innerhalb des
Wartebereiches und während der unerträglich langen Wartezeiten einander
austauschen und gegenseitig beraten können, wurde mit viel
Beharrlichkeit erkämpft!
Einstellung nach § 153 Strafprozessordnung
Richter Krebber erntete sowohl von der Staatsanwältin als auch von der
Verteidigung ein Kopfnicken, als er die Einstellung des Verfahrens nach § 153
der Strafprozessordnung vorschlug. Der Anwalt des Angeklagten, der
engagierte Strafrechtler Detlef Hartmann, bekannte zum Schluss, dass er
der Sache der KEAs sehr gewogen gegenüber stehe. Auch dieses Bekenntnis
erntete Applaus.
Quelle: Amtsgericht Köln ? Verfahren gegen KEA eingestellt | Die KEAs e. V. ? Kölner Erwerbslose in Aktion
http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2012/09/amtsgericht-koln-verfahren-gegen-kea.html
Willi S
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