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EGV-VA niemals Nötigung immer durch das Jobcenter

: Entziehung/Versagungsbescheid

Seit der Neufassung des § 39 SGB II zum 01.04.2011 ist eine Entziehung der bewilligten Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht mehr sofort vollziehbar gemäß § 39 Nr. 1 SGB II Bayerisches Landessozialgericht,Beschluss 04.2012, - L 7 AS 222/12/B ER


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Seit der Neufassung des § 39 SGB II zum 01.04.2011 ist eine Entziehung der bewilligten Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht mehr sofort vollziehbar gemäß § 39 Nr. 1 SGB II Bayerisches Landessozialgericht,Beschluss 04.2012, - L 7 AS 222/12/B ER


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Beitrag von Willi Schartema Di 11 Jul 2017 - 8:18

Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 05.07.2017 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1. 1 BSG, Urteil v. 05.07.2017 - B 14 AS 27/16 R

Zur Minderung von Übergangsgeld für eine stufenweise Wiedereingliederung um den Erwerbstätigenfreibetrag.

Leitsatz ( Redakteur )


Das gezahlte Übergansgeld (Übg) war nicht um den Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs 3 SGB II zu bereinigen, indes begründet die stufenweise Wiedereingliederung einen Mehrbedarf des Klägers nach § 21 Abs 4 SGB II.

Hinweis Gericht

Auch wenn es schon im Februar 2014 für die stufenweise Wiedereingliederung erbracht worden sein sollte, handelt es sich nicht um Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS von § 11b Abs 3 SGB II.
Erwerbstätig ist, wer unter Einsatz und Verwertung seiner Arbeitskraft eine wirtschaftlich verwertbare Leistung gegen Entgelt erbringt, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen (vgl BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 21). Daran fehlt es während der stufenweisen Wiedereingliederung, weil sie Arbeitsunfähigkeit voraussetzt und die Leistungsberechtigten ihre bisherige Tätigkeit nur teilweise verrichten können (§ 28 Halbsatz 1 SGB IX). Deshalb tritt das Übg auch während einer stufenweisen Wiedereingliederung nicht derart an die Stelle des Erwerbseinkommens, wie das in der Rechtsprechung des BSG für die Gewährung von Insolvenzgeld (InsG) und Kurzarbeitergeld (Kug) angenommen wird (vgl BSG vom 13.5.2009 – B 4 AS 29/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 22 zum InsG und BSG vom 14.3.2012 - B 14 AS 18/11 R - SozR 4-4200 § 30 Nr 2 zum Kug).

Indes begründet die stufenweise Wiedereingliederung einen Mehrbedarf des Klägers nach § 21 Abs 4 SGB II.
Auch wenn Feststellungen zu einem ihm zuerkannten GdB nicht getroffen worden sind, ist der Kläger schon seiner Niereninsuffizienz mit Peritonealdialyse wegen ein behinderter Mensch iS von § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX. Nimmt jedenfalls ein behinderter Mensch in diesem Sinne eine Tätigkeit zur stufenweisen Wiedereingliederung im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme nach § 28 SGB IX auf, dann erbringt der zuständige Träger grundsicherungsrechtlich eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben iS von § 21 Abs 4 Satz 1 Var 2 SGB II, sofern es nicht an der in der Rechtsprechung insoweit vorausgesetzten Regelförmigkeit fehlt (vgl nur BSG vom 5.8.2015 - B 4 AS 9/15 R - RdNr 19 ff), wofür hier nichts spricht. Dass die von dem zuständigen Rehabilitationsträger während der Wiedereingliederung nach § 28 SGB IX zu erbringenden Sachleistungen medizinischer Art sind ("sollen die medizinischen ... Leistungen ... erbracht werden") und sie daher systematisch der medizinischen Rehabilitation zugeordnet sind, steht dem nicht entgegen.

Aus der Bedarfsperspektive des behinderten Menschen ist vielmehr entscheidend, dass seine Teilnahme an der regelförmigen Maßnahme am Arbeitsplatz ungeachtet der regelmäßig medizinischen Rehabilitationsziele in der für § 21 Abs 4 SGB II vorausgesetzten typisierenden Betrachtungsweise einerseits bei ihm besondere, vom Regelbedarf nicht erfasste Bedarfe auslösen kann und sie andererseits darauf abzielt, seine beeinträchtigte Fähigkeit zur Verwertung seiner Arbeitskraft wiedergewinnen und einen geeigneten Platz im Arbeitsleben wieder erlangen zu können. Insoweit unterscheidet sich die Bedarfslage bei der medizinischen Rehabilitation in der besonderen Form der am Arbeitsplatz durchgeführten stufenweisen Wiedereingliederung nicht so sehr von der bei einer Teilhabeleistung nach § 33 SGB IX, dass es unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten gerechtfertigt erschiene, diese Gruppe von Rehabilitanden anders zu stellen als die Teilnehmer von vorrangig berufsbezogenen Maßnahmen (anders dagegen zur psychotherapeutischen Behandlung als medizinischer Akutbehandlung BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 3/10 R  - SozR 4-4200 § 21 Nr 11).
 
Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2017&nr=14634
 
 
1. 2 BSG, Urteil v. 05.07.2017 - B 14 AS 29/16 R

Zur Übernahme von Schülerbeförderungskosten für den Besuch einer Waldorfschule ( das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ).

Leitsatz ( Redakteur )
Die Grundsicherungsträger nach dem SGB II müssen auch dann die Beförderungskosten übernehmen, wenn der Schüler eine weiter entfernte Schule in privater Trägerschaft besucht. Voraussetzung hierfür ist, dass in der Schule die allgemeine Schulpflicht erfüllt wird und sie ein eigenständiges Profil hat. In jedem Fall muss sie sich von der öffentlichen und näher gelegenen Schule erkennbar unterscheiden.

Hinweis Gericht

Allerdings erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen für die Übernahme von Schülerbeförderungskosten insofern, als sie im streitbefangenen Zeitraum in der Waldorfschule Flensburg eine allgemeinbildende Schule mit einem eigenständigen Bildungsgang besucht hat.
Allgemeinbildend iS von § 28 Abs 1 Satz 2 SGB II ist ungeachtet der vorrangigen Bestimmung durch bundesrechtliche Maßstäbe (vgl BSG vom 19.6.2012 - B 4 AS 162/11 R - SozR 4-4200 § 24a Nr 1 RdNr 16) jedenfalls auch eine Schule in privater Trägerschaft, wenn sie nach landesrechtlichem Verständnis den allgemeinbildenden Schulen zuzurechnen ist. So liegt es in Schleswig-Holstein bei den als Ersatzschulen genehmigungspflichtigen Schulen in freier Trägerschaft, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck die allgemeinen Bildungsziele und -abschlüsse anstreben, wie hier ausweislich der dem Trägerverein erteilten Genehmigung bei der Freien Waldorfschule Flensburg (vgl § 2 Abs 4 Satz 1 SchulG SH).

Diese Schule weist gegenüber den näher gelegenen öffentlichen Grundschulen auch einen eigenständigen Bildungsgang iS von § 28 Abs 4 Satz 1 SGB II auf. Nicht allein maßgeblich hierfür ist entgegen der Auffassung des LSG, dass die hier besuchten Klassen nicht anders als bei öffentlichen Grundschulen (nur) zu weiterführenden Klassen führen.
Wie der 4. Senat des BSG bereits entschieden hat, kann zur Ausfüllung des Begriffs des "Bildungsgangs" nicht allein auf die Schulart zurückgegriffen werden. Vielmehr ist auf das Profil der Schule der besuchten Schulart abzustellen, soweit hieraus eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts folgt, die nicht der der nächstgelegenen Schule entspricht (vgl BSG vom 17.3.2016 - B 4 AS 39/15 R - BSGE [vorgesehen] , SozR 4-4200 § 28 Nr 9, RdNr 20). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Diese besondere Profilbildung belegen im Hinblick auf die von der Klägerin besuchte Waldorfschule schon die besonderen Anforderungen, die für den Erwerb der allgemeinbildenden Schulabschlüsse gelten (vgl für Schleswig-Holstein Landesverordnung über die Prüfung zum Erwerb des Ersten allgemeinbildenden Schulabschlusses und des Mittleren Schulabschlusses an Waldorfschulen [EMSVO-W] vom 15.2.2008, NBl MBF Schl-H 2008, 101, zuletzt geändert durch LVO vom 18.6.2014, NBl MBW Schl-H S 191).
 
Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2017&nr=14634
 
 
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )
2. 1 Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 08.06.2017 - L 16 AS 291/17 B ER

Aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Eingliederungsverwaltungsakte anzuordnen, denn die angefochtenen Eingliederungsverwaltungsakte sind aufgrund ihrer Geltungsdauer rechtswidrig.

LSG Bayern: Auch nach neuem Recht gilt: Der eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn die gesetzlich vorgesehene Geltungsdauer ohne Ermessenserwägungen überschritten wird.

Leitsatz ( Redakteur )


1. Es spricht viel dafür, die zu § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II a.F. ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach der eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn die gesetzlich vorgesehene Geltungsdauer ohne Ermessenserwägungen überschritten wird (BSG, Urteil vom 14.02. 2013 - B 14 AS 195/11 R ), auch auf Eingliederungsverwaltungsakte nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II n.F anzuwenden.

2. Dann ist auch nach neuem Recht davon auszugehen, dass die Überprüfungsfrist von sechs Monaten bei fehlender Ermessensausübung die Höchstfrist für eine einseitig festzulegende Laufzeit bei einem Eingliederungsverwaltungsakt ist.
 
Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=193631&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
 
 
2. 2 LSG Stuttgart, Urteil vom 27.06.2017 - L 9 AS 1742/14 – Revision zugelassen

Jobcenter muss Kosten einer Räumungsklage tragen


Ein Jobcenter trägt die Kosten einer Räumungsklage, wenn es einem Leistungsberechtigten zu Unrecht die Leistungen versagt, dadurch Mietrückstände entstehen und der Vermieter in der Folge Räumungsklage erhebt. Die anfallenden Gerichtskosten sind als (einmalig anfallende) Bedarfe der Unterkunft im SGB II zu berücksichtigen.
 
Quelle: http://www.lsg-baden-wuerttemberg.de/pb/,Lde/Startseite/Presse/Mitteilungen+2017
 
 
2. 3 LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.6.2017 - L 1 AS 2032/17 ER-B

Leitsatz ( Juris )


1. Es besteht kein Anspruch auf SGB II-Leistungen nach Erreichen der Altersgrenze.

2. Eine offensichtlich nachträglich manipulierte Geburtsurkunde ist zur Glaubhaftmachung eines späteren Geburtsdatums nicht geeignet.
 
Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=193684&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
 
S. a.. Hartz IV: Keine (Arbeitsmarkt-)Leistungen nach Erreichen des Rentenalters

Das LSG Stuttgart hat entschieden, dass eine Empfängerin von SGB-II-Leistungen, die in den letzten Jahren bei verschiedenen Behörden insgesamt vier verschiedene Geburtsdaten angegeben und sich im Laufe der Zeit immer jünger gemacht hatte, keine SGB-II-Leistungen mehr erhält, da sie das Rentenalter erreicht habe.
Weiter: https://www.juris.de/jportal/portal/t/14xo/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA170704616&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp
 
 
2. 4 Hessisches Landessozialgericht, Urt. v. 05.10.2016 - L 7 AS 9/15 - nachgehend: BSG - 11.05.2017 - AZ: B 14 AS 103/16 BH, PKH-Antrag abgelehnt

Bei den vom Kläger geltend gemachten - nicht nachgewiesenen - Kosten für den Stromverbrauch der EDV-Anlage, das Modem, den Router und Scanner, ferner für den Drucker, die Beleuchtung und die monatlichen Gebühren für die lnternetanbindung, sowie Telefonkosten, handele es sich in sachlicher Hinsicht nicht um Bewerbungskosten.

Leitsatz ( Redakteur )


Hierzu zählten sämtliche Kosten, die in direktem Zusammenhang zu der Erstellung sowie der Versendung von Bewerbungsunterlagen stünden. Übernahmefähig seien beispielsweise Kosten für Papier, Bewerbungsfotos, Fotokopien oder Schreibkosten. Nicht in direktem Zusammenhang mit der Erstellung einer Bewerbung stünden Kosten für Hilfsmittel wie Schreibmaschine, Computer, Software oder Druckerpatronen. Diese Mittel würden auch unabhängig von der Erstellung einer konkreten Bewerbung eingesetzt. Sie stellten daher keine Bewerbungskosten im engeren Sinne dar (dazu VG Bremen, Urteil vom 24.9.2007 - S 8 K 2723/06 m.w.N., SG Frankfurt, Gerichtsbescheid vom 20.7.2011 – Az. S 5 AS 607/10 und vom 2.8.2012 – Az. S 5 AS 48/12). Vielmehr würden die Kosten unter anderem für Telefon, Strom und Internet durch die dem Kläger gewährte Regelleistung nach § 20 SGB II abgedeckt.
 
Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=193495&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
 
 
2. 5 Landessozialgericht Hamburg, Urt. v. 04.05.2017 - L 4 AS 376/16

Leitsatz ( Redakteur )


Teilweise Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II war nicht zu beanstanden, denn eine Dividendenzahlung einer Wohnungsbaugenossenschaft ist anzurechenbares Einkommen.
Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=193665&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
 
 
2. 6 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 22.06.2017 - L 31 AS 848/17 B ER rechtskräftig

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - Anwendung auf Unionsbürger - keine Arbeitnehmereigenschaft - untergeordnete unwesentliche Tätigkeit - Tätigkeit als Pflegekraft und die Erbringung "haushaltsnaher Dienstleistungen " - Barauszahlung

Allenfalls unter darzulegenden besonderen Umständen ist eine bare Lohnauszahlung als Beweis für ein Arbeitsverhältnis glaubhaft (so bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2017, Az. L 31 AS 1074/17 B ER).

Leitsatz ( Redakteur )

Die Weitergabe von Geld- oder Sachleistungen an Dritte, die vom SGB II- oder vom SGB XII-Träger zur Erfüllung eines Anspruches auf Grundsicherung an eine anspruchsberechtigte Person gezahlt werden, vermag grundsätzlich keine Arbeitnehmereigenschaft dieser dritten Person zu begründen, dies auch dann nicht, wenn sich der Leistungsempfänger und die dritte Person darüber verständigen, dass diese Leistungsweitergabe für "haushaltsnahe Dienstleistungen" geschehe und hierüber ein "Arbeitsvertrag" geschlossen werde. Eine "Erwerbstätigkeit" i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügigG/EU ist hierin nicht zu sehen.

Tätigkeiten von etwa einer Stunde täglich, 7 Stunden wöchentlich oder 20 Stunden monatlich sind von untergeordneter Bedeutung und begründen keinen Arbeitnehmerstatus (Beschluss vom 17. Februar 2015, L 31 AS 3100/14 B ER, daran anschließend, aber unveröffentlicht: Beschluss vom 18. März 2016, L 31 AS 248/16 B ER und Beschluss vom 19. September 2016, L 31 AS 2058/ 16 B ER).
 
Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=193615&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
 
 
 
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )
3. 1 SG Aurich, Urteil vom 21.02.2017 -  S 55 AS 189/13
Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Betriebs- bzw Nebenkostennachforderung aus früherem Mietverhältnis - durchgehender Leistungsbezug - aktueller Bedarf im Fälligkeitsmonat - keine Berücksichtigung des Entstehungsgrundes der Nachforderung
Leitsatz ( Juris )

Strenges Bedarfs- und Monatsprinzip ist auch bei Nebenkostennachforderungen anwendbar. Auch wenn im Zeitraum, auf den sich die Nebenkostenabrechnung bezieht, die vom Leistungsträger gezahlten Leistungen nicht an den Vermieter weitergeleitet wurden, ist die volle Nachforderung im Grundsatz übernahmefähig. Der zweckwidrigen Verwendung kann nicht im Rahmen einer Bedarfsberechnung Rechnung getragen werden.
 
Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=191384&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
 
 
Rechtstipp: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.07.2013 - L 19 AS 1120/13 B rechtskräftig

1. Der Bedarf an einer Übernahme der Betriebs- und Heizkostennachforderung ist nicht entfallen, wenn der Hilfebedürftige die Vorauszahlungen zweckwidrig verwendet hat.

2. Soweit eine Nachforderung von Betriebs- oder Heizkosten in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen. Zweckwidrig verwandte Vorauszahlungen können mit dem Nachforderungsbetrag nicht verrechnet werden.

3. Insoweit kann der Leistungsträger gfl. einen Erstattungsanspruch nach § 34a SGB II gegenüber dem Leistungsempfänger geltend machen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R -).
 
 
3. 2 Sozialgericht Koblenz, Urteil vom 27.04.2017 - S 14 AS 656/15

Pressemitteilung 1/2017 des Sozialgerichts Koblenz - Hartz-IV Empfänger muss 75.000 € zurückzahlen


Weil er über Jahre zu Unrecht Hartz-IV Leistungen erhalten hat, muss ein Hartz IV Empfänger an das Jobcenter ca. 75.000 € zurückzahlen. Der alleinstehende Rheinland-Pfälzer ist Eigentümer einer Immobilie, die er selbst bewohnt, zu einem kleinen Teil aber auch vermietet hat. Zwar ist ein selbstgenutztes Eigenheim an sich beim Hartz IV-Bezug vor einer Verwertung geschützt. Das gilt allerdings dann nicht, wenn es unangemessen groß ist. Alleinstehenden wird dabei im Regelfall eine Wohnfläche von 90 qm zugebilligt. In dem jetzt entschiedenen Fall hatte der Mann gegenüber dem Jobcenter jahrelang behauptet, sein Eigenheim habe lediglich eine Wohnfläche von unter 100 qm, woraufhin das Jobcenter dieses als geschützt ansah und ihm Leistungen bewilligte. Nach Jahren stellte sich aber heraus, dass die Gesamtwohnfläche tatsächlich ca. 130 qm beträgt. Das Jobcenter forderte daraufhin die geforderten Leistungen zurück. Zu Recht, wie jetzt das Sozialgericht Koblenz entschieden hat. Der Leistungsempfänger habe durch seine falschen Angaben die ihm nicht zustehenden Leistungen erst bewirkt. Deshalb sei sein Vertrauen in den Bestand der getroffenen Entscheidungen nicht schutzwürdig.
Quelle: https://sgko.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/detail/News/pressemitteilung-12017-des-sozialgerichts-koblenz/
 
 
3. 3 SG Mainz, Urt. v. 14.03.2017 - S 14 AS 1063/15

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Eingliederungsleistungen - Vermittlungsbudget - Übernahme der Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis - Pauschalierung - Ermittlung des Wertes - typischer Normalfall - Nachvollziehbarkeit

Zur Übernahme weiterer Kosten des Führerscheinerwerbs - Zur Pauschalierung der Förderung des PKW-Fahrerlaubniserwerbs nach § 16 SGB II i.V.m. § 44 SGB III

Leitsatz ( Juris )


Der für das Erlangen einer PKW-Fahrerlaubnis gewährte Zuschuss darf zur Verwaltungsvereinfachung pauschaliert werden, muss dann aber ausreichen, um in einem im Bezirk des Jobcenters "typischen Normalfall" durchschnittlichen Kosten abzudecken. Es muss also mit der Pauschale möglich sein, typischerweise das Ziel zu erreichen, hier also eine Fahrerlaubnis für einen PKW zu erlangen. Was "typischer Normalfall" ist muss ermittelt werden, indem statistische Werte bei einer hierüber orientierten Behörde oder bei einer repräsentativen Auswahl an Fahrschulen erhoben werden. Die Ermittlung des Wertes muss nachvollziehbar dokumentiert sein und muss auf Anforderung vorgelegt werden können. (Rn.21)
 
Quelle: http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/11v9/page/bsrlpprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=10&numberofresults=2016&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE170030811&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint 
 
 
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )
4. 1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 24.04.2017 - L 20 SO 418/14 - Revision zugelassen

Leitsatz ( Redakteur )


Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in Essen hat am 24.04.2017 das schlüssige Konzept für den Kreis Minden-Lübbecke bestätigt.
 
Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=193709&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
 
 
4. 2 LSG München, Urteil v. 28.04.2017 – L 8 SO 128/16

Keine Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Pflege

Leitsätze:

1. Bei Bescheiden der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII handelt es sich meist um ein Regelungsbündel. Es sind zu unterscheiden eine Grundlagenentscheidung für Grund- und Bereitschaftspflege, über das (meist gekürzte) Pflegegeld und eine Zusage auf konkrete Leistungen bei der Inanspruchnahme der gewählten Versorgungsform.
2. Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII wird meist als Grundlagenbescheid bewilligt; die Form der Leistung erfolgt als Zusage eventuell nach § 32 Abs. 2 SGB X befristet.
3. Bescheide über Folgezeiträume führen zur Erledigung vorangegangener Bescheide. Diese sind in ihrem Regelungsgehalt zeitlich begrenzt und lehnen nicht Leistungen für Folgezeiträume ab.
4. Eine Gestaltung des Inhalts, dass die Nebenbestimmung aufgehoben wird, führt bei einer echten Befristung auch nicht zur Herstellung eines zeitlich unbegrenzten Anspruchs.
5. Zur Anwendung der Verfahrensvorschriften der gesetzlichen Pflegeversicherung in Verfahren der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII.
6. Wird infolge einer Einbeziehung eines weiteren Bescheides in ein laufendes Klageverfahren die Klage geändert, ist eine spätere Klage gegen den einbezogenen Bescheid wegen entgegenstehender Rechtshängigkeit unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)
 
Quelle: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2017-N-114030?hl=true
 
 
4. 3 LSG Hessen, Beschluss v. 07.06.2017 - L 4 SO 95/16

Leitsatz ( Juris )


Die Bagatellklausel des § 110 Abs. 2 Satz 1 SGB XII steht auch einem Kostenerstattungsanspruch aus § 104 SGB X entgegen. Im Verhältnis der Sozialhilfeträger untereinander findet keine Erstattung von Kosten unter 2.560 Euro statt.
Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=193616&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive= 
 
 
4. 4 LSG Hessen, Beschluss v. 20.06.2017 - L 4 SO 70/17 B ER

EU-Ausländer erhält lediglich Überbrückungsgeld für einen Monat


Das LSG Darmstadt hat entschieden, dass EU-Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keine laufenden Sozialhilfeleistungen verlangen können.

Ein bulgarischer Mann ohne festen Wohnsitz beantragte Sozialhilfeleistungen. Er lebte seit mehreren Jahren in Frankfurt am Main und erhielt zeitweise Leistungen vom Jobcenter oder vom Sozialamt. Im Übrigen bestritt er seinen Lebensunterhalt durch Flaschensammeln. Die Stadt Frankfurt am Main lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass der Gesetzgeber arbeitsuchende EU-Ausländer Ende 2016 von Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen habe. Hiergegen wandte sich der bulgarische Mann vor dem Sozialgericht und beantragte einstweiligen Rechtsschutz.

Das LSG Darmstadt hat im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden, dass der bulgarische Mann einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen für einen Monat hat.
 
Weiter: https://lsg-darmstadt-justiz.hessen.de/irj/LSG_Darmstadt_Internet?rid=HMdJ_15/LSG_Darmstadt_Internet/sub/9b7/9b704de0-28ae-c51d-0648-712ae8bad548,,,11111111-2222-3333-4444-100000005003%2526overview=true.htm


 
 
5. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern
5. 1 SG Nordhausen: Pflicht zur Erstattung von Kosten im Vorverfahren auch bei bereits verjährtem Anwaltshonoraranspruch
SGB X § 63
Zwar ist anerkannt, dass jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens gehalten ist, die Kosten der Prozessführung so gering wie möglich zu halten, widrigenfalls die Kosten nicht als „notwendig" angesehen werden. Hiermit ist jedoch lediglich gemeint, dass im Zeitpunkt der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung keine Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die für die Zwecke der Rechtsverfolgung nutzlos sind. Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Kostenminderungspflicht darauf, dass nur innerhalb eines bestimmen Zeitrahmens zur Festsetzung beantragte Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung „notwendig" gewesen seien, erscheint vor diesem Hintergrund nicht angezeigt (Leitsatz der Schriftleitung)
SG Nordhausen, Urteil vom 24.04.2017 - S 27 AS 1757/15, BeckRS 2017, 113108
 
Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
weiter: http://rsw.beck.de/aktuell/meldung/sg-nordhausen-pflicht-zur-erstattung-von-kosten-im-vorverfahren-auch-bei-bereits-verjaehrtem-anwaltshonoraranspruch
 
 
5. 2 LSG Stuttgart: Hartz IV – keine (Arbeitsmarkt-)Leistungen nach Erreichen des Rentenalters und...
Hartz IV – keine (Arbeitsmarkt-)Leistungen nach Erreichen des Rentenalters
Eine Empfängerin von SGB-II-Leistungen, die in den letzten Jahren bei verschiedenen Behörden insgesamt 4 verschiedene Geburtsdaten angegeben und sich im Laufe der Zeit immer jünger gemacht hat, erhält keine SGB-II-Leistungen mehr, insbesondere nicht zur Förderung ihrer selbständigen Tätigkeit, da sie zur Überzeugung der Richterinnen und Richter des Landessozialgerichts im Herbst 2016 das Rentenalter erreicht hat. Das geänderte Geburtsdatum in ihrer Geburtsurkunde hat sich als Fälschung entpuppt.
Beschluss vom 26.06.2017, Az. L 1 AS 2032/17 ER-B
 
 
Jobcenter muss Kosten einer Räumungsklage tragen
Ein Jobcenter trägt die Kosten einer Räumungsklage, wenn es einem Leistungsberechtigten zu Unrecht die Leistungen versagt, dadurch Mietrückstände entstehen und der Vermieter in der Folge Räumungsklage erhebt. Die anfallenden Gerichtskosten sind als (einmalig anfallende) Bedarfe der Unterkunft im SGB II zu berücksichtigen.
Urteil vom 27.06.2017, Az. L 9 AS 1742/14
 
 
Zuständigkeitsstreit zwischen Behörden: Bundesagentur für Arbeit scheitert mit Erstattungsverlangen gegen Krankenkasse
Wer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann und will, ist nicht verpflichtet, Krankengeld zu beantragen, sondern kann sich arbeitslos melden und sich im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen, entschied das Landessozialgericht in Stuttgart vor wenigen Tagen. Eine Klage der Bundesagentur für Arbeit (BA) gegen eine Krankenkasse, von der die Bundesagentur Ersatz für gezahltes Arbeitslosengeld verlangte, blieb daher erfolglos.
Urteil vom 27.06.2017, Az. L 11 KR 3513/16
Quelle: http://www.lsg-baden-wuerttemberg.de/pb/,Lde/Startseite/Presse/Mitteilungen+2017
 
 
5. 3 Neues aus den Unterklassen: Hartz-IV-Empfänger härter bestraft als Straftäter
Sozialverbände, Richter, Anwälte und Gewerkschafter halten Hartz-IV-Sanktionen für verfassungswidrig. Der Staat verteidigt dagegen auch harte Strafen vehement. Sie seien nötig, um ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen.
weiter: https://deutsch.rt.com/inland/53518-neues-aus-unterklassen-wie-verfassungskonform/ 
 
 
5. 4 Dublin-Verfahren und "Durchentscheiden" bei fehlendem Ausspruch zu Abschiebungsverboten
Anmerkung zu: BVerwG 1. Senat, Beschluss vom 03.04.2017 - 1 C 9/16 (http://dejure.org/2017,14395)
Autor: Prof. Dr. Uwe Berlit, Vors. RiBVerwG
 
Dublin-Verfahren und "Durchentscheiden" bei fehlendem Ausspruch zu Abschiebungsverboten
Leitsätze
1. Die nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu treffende Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen, bezieht sich in Fällen unzulässiger Asylanträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 AsylG nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern auf den Zielstaat der Überstellung bzw. Abschiebung.
2. Eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG ist nicht allein deswegen rechtswidrig, weil in dem Bescheid die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgesehene Feststellung zu nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG fehlt.
Weiter: https://www.juris.de/jportal/portal/t/12oe/page/homerl.psml?nid=jpr-NLBV000007917&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp 
 
Quelle:  http://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/tickerarchiv/d/n/2217/
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